In meiner künstlerischen Praxis verhandle ich Fragen rund um Körperidentität im und durch öffentlichen Raum, Architektur sowie Raumpolitik. Ich arbeite dabei bevorzugt mit den Medien Fotografie, Video, Installation und Performance. Besonders interessiert mich, wie sich gestalteter Raum auf die Performance von Menschen auswirkt und umgekehrt. Das Vorarlberger Rheintal und meine Ambivalenz gegenüber Konzepten von Wachstum, Herkunft, Heimat, Familie oder Selbstbestimmung gehen zwei Arbeiten voraus, auf die ich im Folgenden eingehe.
Die erste zeigt Grüne Grenzen und ist eine Ausstellung in einem ehemaligen Zollamt in Koblach. Mittels Fotografien und Videos präsentiere ich dort grüne Grenzen, die unterschiedliche Blickwinkel auf Landschaftsraum, Grenzgebiete und deren Geschichte geben. Die Arbeit ist getragen von meinem langjährigen Interesse, wie sich kulturelle Leitideen aber auch politische Entscheidungen vor allem im öffentlichen Raum in Vorarlberg manifestieren.

Im strukturstarken Vorarlberg ist der Gender-Pay-Gap österreichweit am stärksten aus geprägt.1 Deswegen frage ich in meiner zweiten Arbeit, wer in welchem Ausmaß und womit zur Gestaltung und Erhaltung unserer Gesellschaft beiträgt. Und: Welche private oder öffentliche Anerkennung bekommen sie jeweils? Die Biografien und Lebenswelten von Frauen bekommen jedenfalls nicht die Anerkennung, mit der eine gerechtere und nachhaltigere Gesellschaft einherginge.
Das nehme ich zum Anlass für eine Porträtserie, in der ich Frauen im öffentlichen Raum in Höchst fotografiere. In einem Wikipediaeintrag meiner Heimatgemeinde Höchst (Vorarlberg) werden scheinbar die „Söhne und Töchter der Gemeinde“ gelistet. Tatsächlich scheinen aber ausnahmslos Söhne bzw. Männer auf. Sie sind es auch, die den größten Anteil an Schreibenden auf Wikipedia ausmachen. Im öffentlichen Raum in Höchst steht eine Skulptur2, die zum Ausgangspunkt der Fotografien wird. Porträtiert sind eine Pflegerin, eine Kindergartenpädagogin, zwei Berufsfischerinnen, eine Restauratorin und viele andere. Zu ihnen gehören nicht nur Berufe, sondern Geschichten, Biografien, ja ganze Lebenswelten. Im ORF Landesfunkhaus Dornbirn präsentiere ich eine Auswahl dieser Fotografien.
Fotos halten fest, machen sichtbar, repräsentieren aber noch wichtiger: Sie schaffen Erinnerung. Und mit diesem Erinnern entsteht Bewusstsein sowohl für etwas, das ist, als auch für etwas, das werden kann: Skulpturen stehen starr. Die Menschen in einer Gesellschaft aber sind beweglich!



Janine Maria Schneider, 2021






1www.vorarlberg.at/gender+pay+gap.pdf
2Die Skulptur stammt vom schweizer Bildhauer und Maler Robert Indermaur